Biologische Evolution und kulturelle Evolution schließen sich nicht aus. Im Gegenteil, sie können sich gegenseitig beeinflussen. Die durch genetische Evolution entstandenen menschlichen Merkmale und Fähigkeiten erlaubten die Ansammlung und Weitergabe von Technologien, Wissen und die Veränderung der Umweltbedingungen. Diese von Menschen geschaffenen Bedingungen haben im Verlauf unserer Evolutionsgeschichte wiederum unser Verhalten, unseren Körper, unser Gehirn und unsere Gene beeinflusst.

Viele Biolog:innen denken, dass sich folgende Gene vermutlich in menschlichen Populationen aufgrund der Selektion durch die soziale und kulturelle Umwelt ausgebreitet haben:

  • Gene, die die Verdauung bestimmter Nahrungsmittel (z.B. Milch und Milchprodukte, kohlenhydratreiche Nahrung, Alkohol) ermöglichen (insb. Domestizierung und Landwirtschaft als kulturelle Umwelt- und Selektionsfaktoren)

  • Gene, die Immunität gegen bestimmte Infektionskrankheiten ermöglichen (z.B. Malaria). Erhöhung der Bevölkerungsdichte, Domestizierung und Sesshaftigkeit erhöhten die Belastung durch Pathogene.

  • Gene, die die Toleranz gegenüber heißen und kalten Temperaturen erhöhen, aufgrund der Ausbreitung unserer Art in neue Umgebungen mit unterschiedlichen Temperaturen.

  • Gene, die unseren äußeren Phänotyp beeinflussen (Hautfarbe, Haarfarbe und -dichte, Augenfarbe, Sommersprossen), aufgrund der Ausbreitung unserer Art in neue Umgebungen mit unterschiedlichen Temperaturen oder durch sexuelle Selektion

  • Gene, die Gehirnfunktion und -entwicklung und die Fähigkeiten für Sprache und motorische Koordination beeinflussen, aufgrund der Bedeutung dieser Fähigkeiten für das Sozialleben

Literaturangaben

  • Laland, K. N., Odling-Smee, J., & Myles, S. (2010). How culture shaped the human genome: Bringing genetics and the human sciences together. Nature Reviews Genetics, 11(2), 137–148. http://doi.org/10.1038/nrg2734
  • Nielsen, R., Hellmann, I., Hubisz, M., Bustamante, C., & Clark, A. G. (2007). Recent and ongoing selection in the human genome. Nature Reviews Genetics, 8(11), 857–868. https://doi.org/10.1038/nrg2187